„Also wieder was Autobiographisches“, habe seine Mutter erwidert, als er ihr den Titel seines neuesten Buchs verraten habe, sagt Michael Kleeberg bei einer Lesung auf dem Erlanger Poetenfest. Ein selbstironischer Scherz, wie jeder sogleich versteht. Autobiographisch sind an Kleebergs Werk Der Idiot des 21. Jahrhunderts allenfalls die Geschichten darin...
Der deutsche Entdecker von Machu Picchu
Da staunt man ein zweites Mal. Die sagenhafte Inkastadt Machu Picchu auf einem Bergsattel im peruanischen Urwald wurde nicht erst 1911 von dem amerikanischen Historiker Hiram Bingham entdeckt, sondern vierzig Jahre früher vor einem Mann, der um 1840 als Sohn eines Weinhändlers in Uerdingen am Niederrhein geboren und aufgewachsen...
Verfall im Herzen der Hauptstadt – Zum neuesten Roman von Vargas Llosa
Mario Vargas Llosa feiert heute seinen 80. Geburtstag. Er gehört zu jener Generation und Sorte von Schriftstellern, denen Literatur mehr ist als Bespiegelung privater bzw. beliebiger Phänomene, sondern Anwältin allgemein wichtiger Anliegen. Das zeigt auch sein im März erschienener, achtzehnter Roman. Er wollte eine Geschichte über ein Charakteristikum der...
Karl-Heinz Ott über den Verfall einer Familie
Vier erwachsene Geschwister treffen sich wegen des Ablebens ihres Vaters im Elternhaus, streiten und diskutieren, während sie aufeinen Rechtsanwalt mit dem Testament warten, und erfahren, als dieser gegen Mitternacht kommt, dass sie enterbt sind, bevor am nächsten Morgen – womöglich infolge lauten Kopulierens – der totgeglaubte Vater, ein Lustmolch...
Höchstrichterliches Urteil zu Romanfiguren
Der Bundesgerichtshof hat über die Frage entschieden, ob eine literarische Figur gegen eine Benutzung zu Werbezwecken geschützt ist. Wie kam es dazu und wie fiel das Urteil aus? Um für seine Karnevalskostüme zu werben, verwandte die Discounterkette Penny in Verkaufsprospekten die Abbildungen eines Mädchens, das mit dem Kostüm verkleidet...
Höhere Wahrheit
Auszug aus einem Interview der FAZ mit der Lektorin Elisabeth Ruge
Aber wie erkennt man ein wichtiges Buch unter Hunderten
Manuskripten?
Das ist schwer zu sagen. Es hat viel mit
Intuition zu tun – das klingt ein bisschen klischeehaft und nach
einer Platitude. Es ist aber so. Es ist fast ein seltsames Gefühl,
das sich einstellt. Man spürt einfach, dass jemand etwas Wichtiges
zu erzählen hat.
Wichtig in welchem Sinn?
Wichtig,
weil das Buch zwar von einem bestimmten historischen Zeitpunkt
erzählt, seine Bedeutung sich aber nicht mit voranschreitender Zeit
erschöpft. Wenn ich beispielsweise an die „Zinkjungen“ denke,
das erste Buch, das ich von Swetlana Alexijewitsch gemacht habe, dann
war zwar entscheidend, dass sie auf den ersten Krieg in Afghanistan
und auf seine Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Einzelnen in
der damaligen Sowjetunion blickte. Aber sie tat das auf eine Weise,
die mir etwas über das bestimmte historische Ereignis hinaus zu
verstehen gab. Pathetisch würde man sagen, da ist eine höhere
Wahrheit.
Können Sie versuchen, das zu präzisieren?
Es
ist die Darstellung einer allgemeineren existentiellen Erfahrung,
entwickelt aus einem präzis beobachteten historischen Augenblick. So
ist es auch in Alexijewitschs Buch „Tschernobyl“, in dem es um
die Reaktorkatastrophe geht, aber darüber hinaus auch um die
Unfassbarkeit des apokalyptischen Geschehens: Sie erzählt, wie die
Menschen in einem kleinen ukrainischen Dorf auf ihre Apfelbäume
schauen, an denen schöne rote Äpfel hängen, und wie sie auf ihre
Haustiere und den blühenden Garten blicken, auf ihr ganzes
bisheriges Leben – und dann gesagt bekommen, das ist alles giftig,
ihr müsst hier weg! Alexijewitsch hat das die „Chronik einer
Zukunft“ genannt. Wir bekommen etwas erzählt, was wir eigentlich
gar nicht verstehen können, weil es jenseits unseres
Vorstellungsvermögens liegt.
Liebe unter Spannung – Marcus Fischers Miniatur „Wild campen“
Wenn beim Küssen einer nicht ganz dabei ist, das merkt man, weil Küssen ist Millimeterarbeit. Mit solchen nur vom Ton her lockeren, in Wirklichkeit aber passgenauen Beobachtungen erweist sich Marcus Fischers Kurzgeschichte „Wild campen“ selbst als eine Millimeterarbeit, ein Miniaturstück jedenfalls, in dem sich weit Größeres widerspiegelt. Da sind...
Martin Suters »Montecristo«: Ein Krimi, der sich selbst entlarvt
Suters neustes Buch ist spannend und elegant geschrieben; doch die Frage ist, ob noch mehr drinnen steckt. Die Erzählung scheint selbst so glatt wie die Gesellschaft, die sie problematisiert – was vielleicht wiederum ein Kunstgriff ist. Einem Auftragsmörder müsste eigentlich daran gelegen sein, möglichst unscheinbar auszusehen. In Martin Suters...
»Diebe und Vampire« von Doris Dörrie: Vom Schreibenwollen zur Literatur
Tipps, wie man zum Schreiben schöner Literatur kommt, gibt es genügend. Auch der neue Roman von Doris Dörrie enthält einige davon – und lässt sie zugleich in einem fragwürdigen Licht erscheinen. Aber unausgesprochen zeigt er am Ende doch, worauf es ankommt. Der Badeanzug gilt wohl den wenigsten als typisches...
Sprachbilderfrisch: Der Roman »Altes Land« von Dörte Hansen
Die Geschichte des ostpreußischen Kriegsflüchtlings Vera Eckhoff im Elbmarschland bei Hamburg und ihrer Nichte Anne, die der großstädtischen Ökoszene entflieht, findet viel Anklang, seitdem das Buch im Februar erschienen ist. Das mag in erster Linie inhaltliche Gründe haben, aber auch sprachlich hat das literarische Debüt von Dörte Hansen seinen...