Höchstrichterliches Urteil zu Romanfiguren

Der Bundesgerichtshof hat über die Frage entschieden, ob eine literarische Figur gegen eine Benutzung zu Werbezwecken geschützt ist. Wie kam es dazu und wie fiel das Urteil aus?

Um für seine Karnevalskostüme zu werben, verwandte die Discounterkette Penny in Verkaufsprospekten die Abbildungen eines Mädchens, das mit dem Kostüm verkleidet war und eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster trug. Die Fotografien waren im Januar 2010 bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Plakaten in den Filialmärkten und auf Zeitungsanzeigen abgedruckt. Von den Kostümen wurden mehr als 15.000 Stück verkauft.

Dagegen klagten Erben der Schriftstellerin Astrid Lindgren. Das Argument: Mit der Werbung würden die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil sich der Händler in den Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Somit müsse Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 Euro gezahlt werden.

Zunächst wurde den Klägern vom Landgericht und vom Oberlandesgericht in Köln Recht gegeben. Unter anderem kamen die Richter zu der Auffassung, ihr stehe der urheberrechtliche Anspruch nach § 97 Absatz 2 des Urheberrechtsgesetzes zu. Der daraufhin angerufene Bundesgerichtshof wies jedoch die Klage ab, soweit sie das Urheberrecht betrifft. Begründung: Es seien „nur wenige Merkmale“ übernommen worden, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur Pippi Langstrumpf maßgeblich seien. (BGH vom 17.07.2013).

Was wettbewerbsrechtliche Ansprüche angeht, legten die Bundesrichter die Sache dem Oberlandesgericht zur erneuten Entscheidung vor. Dieses wies die Klage nun ab: Der Zahlungsanspruch falle nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a und b des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, heißt es im Juristendeutsch. Konkret: Die Abbildung eines Mädchens in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Unlauter sei das aber nicht. Die „Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf“ werde nicht unangemessen ausgenutzt oder beeinträchtigt.

Doch die Kläger gaben nicht auf und legten Revision gegen das Urteil ein, sodass sich der  Bundesgerichtshof wieder damit befasste. Er hat jetzt die Revision zurückgewiesen: Ein Anspruch gemäß dem oben genannten Paragraphen im Wettbewerbsrecht scheide aus. Zwar könne auch eine literarische Figur unter den wettbewerbsrechtlichen Schutz fallen. Im vorliegenden Fall gebe es aber keine Nachahmung. Denn zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur der Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms bestünden nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliegt. Allerdings geben die Bundesrichter den Klägern den Tipp, Merchandisingartikel à la Pipi Langstrumpf gegen Nachahmungen zu schützen, indem sie diese als Marke und Design eintragen lasse (BGH vom 19.11.2015).

Was zeigt uns dieser Rechtstreit? Romanfiguren können durchaus in der harten Welt des Geldes zugkräftig und justiziabel sein, obwohl sie nur im weichen Reich der Fantasie existieren.

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